Extrem laut und unglaublich nah (Extremely Loud & Incredibly Close)

16 02 2012

Bewegendes aber durchschnittliches Drama, das Kritiker spaltet

Es liegt wahrscheinlich auch an bisschen an dem Thema, dass der Film so unterschiedliche Reaktionen hervorruft. Schließlich ist der 11. September ein Datum, zu dem viele US-Amerikaner ein fast schon pathologisches Verhältnis haben. Das könnte ein Grund sein, warum „Extrem laut und unglaublich nah“ Kritiker wie Zuschauer spaltet. Für die einen ist es ein manipulativer und nur auf Tränen ausgerichtetes Pseudodrama, andere sind von dem Film so bewegt und begeistert, dass er es geschafft hat für den Oscar nominiert zu werden (was insbesondere dieses Jahr nur durch glühende Anhänger möglich ist). Beide Positionen verwundert etwas, denn der Film ist zwar solide gemacht und entfaltet seine Wirkung, ist jedoch aufgrund seiner Erzählweise weit davon entfernt ein wirklich außergewöhnlicher Film zu sein.

Oskar Schell, (der leichte autistische Züge aufzeigt) liebt seinen Vater(Tom Hanks)  über alles. Dieser gibt ihm Schatzsuchen-ähnliche Aufgaben, damit Oskar mehr in Kontakt mit seinen Mitmenschen gerät. Als sein Vater bei den Anschlägen auf das World Trade Center ums Leben kommt, ist Oskar am Boden zerstört. Er wird auto-aggressiv und entfernt sich immer mehr von seiner Mutter (Sandra Bullock). Als er im Zimmer seines Vaters einen Umschlag mit einem Schlüssel und dem Namen „Black“ findet, begibt er sich auf die letzte Schatzsuche, die ihm sein Vater „hinterlassen“ hat. Er besucht alle Blacks in New York um das passende Schloss zu dem Schlüssel zu finden.

Der Titel des Films kann unterschiedlich gedeutet werden: Einerseits bezieht er sich auf die Beziehungen zwischen Oskar und seinen Mitmenschen, andererseits auch auf den Einsturz der Türme an 9/11. Doch obwohl der Anschlag und dessen Auswirkungen die Grundlage für den Film ist, bleibt das Thema im Hintergrund und wird nur als Aufhänger (wenn man gemein wäre könnte man sagen als „Gimmick“) verwendet. Im Grunde geht es um die Bewältigung von Trauer aus der Sicht von Oskar. Diese erfolgt jedoch nicht auf traditionelle Weise, sondern durch seine Reise auf recht komplexe Art. Der Film arbeitet dabei mit zahlreichen rührseligen Szenen, so dass fast jede Szene eine unangenehme Stimmung hervorruft. In einigen Momenten ist „Extrem laut und unglaublich nah“ mit seiner emotionalen Erzählweise richtig gut gelungen, vor allem wenn Oskar mit seinem stummen Nachbarn (oscarnominiert: Max von Sydow) unterwegs ist, doch der gesamte Film kann nicht 100% begeistern, was vor allem an dem Drehbuch liegt. Es verwundert, dass bei aller Kritik an dem Film vor allem Regisseur Daldry im Mittelpunkt steht, und das Skript selbst immer wieder  gelobt wird (möglicherweise weil die Vorlage bzw. die erste Drehbuchfassung  mehr erwarten ließ), denn durch die Struktur des Films schafft es der Film nicht, dass die Geschichte funktioniert. Zwischen all den Wendungen, den interessanten Nebenpersonen und der Vorgeschichte von Oskar und seinem Vater scheint der Film nie genau zu wissen, in welche Richtung er gehen soll und was er wirklich erzählen will. Auch deswegen wirken gerade am Ende einige der Szenen zu konstruiert um sie einfach zu akzeptieren. Viel schwerwiegender ist jedoch die andauernde Erzählerstimme von Oskar. Unabhängig vom subjektiven Empfinden (ich persönlich halte nicht viel von Off-Kommentaren): Die Stimme aus dem Off ist meist ein Mittel, das Drehbuchautoren und/oder Regisseure verwenden wenn sie die Inhalte nicht visuell zeigen können. „Extrem laut und unglaublich nah“ zerstört durch seine Kommentare sogar einige Szenen, die ansonsten wunderbar wären. In einer der schönsten Momente zwischen Oskar und dem stummen Nachbarn vermittelt Daldry nur durch die Aktionen und Reaktion die Verbindung zwischen den beiden, nur um danach sämtliche Gefühle nochmal durch die Stimme des Hauptdarstellers kommentieren zu lassen, so dass auch der blindeste Zuschauer noch versteht was in Oskar vorgeht. Hier hätte dem Film die Ruhe von Sydows Charakter gut getan. Das ist schade da der Film ansonsten sehr viel Kraft besitzt. Daldry („The Reader“, „Billy Elliot“) ist ein guter Erzähler, der viel visuelle Kraft in seine Filme legt. „Extrem laut und unglaublich nah“ ist definitiv kein schlechter Film. Die Darsteller, die Inszenierung und einige Aspekte der Geschichte sind durchaus gelungen.

Doch es ist eben kein außergewöhnlicher Film geworden, der wirklich begeistert und alles aus der Handlung herausholt. Dazu geht der Film zu unelegant mit dem Thema um, so dass er am Ende nur zu einem soliden Drama verkommt. Daldry hat einen rührenden aber zu unfokussierten  – und deshalb zu trägen –  Film gemacht, der seinen schlechten Ruf aber auch die gelegentlichen Begeisterungsstürme nicht verdient hat.

Wertung 6/10


Aktionen

Information

Hinterlasse einen Kommentar