23.11.2011 – Der Gott des Gemetzels

24 11 2011

Hervorragendes Kammerspiel von Roman Polanski

Im Grunde ist „Gott des Gemetzels“ ein kleiner, „unspektakulärer“ Film. Immerhin diskutieren nur  vier Personen in einem Raum. Dass der Film schon im Vorfeld  so auf sich aufmerksam gemacht hat, liegt an den namenhaften Beteiligten. Das Drehbuch basiert auf einem erfolgreichen Theaterstück, unter den Darstellern sind drei Oscarpreisträger (John C. Reilly war immerhin nominiert) und hinter der Kamera steht mit Polanski einer der wichtigsten Filmemacher der Gegenwart. Die kongeniale Verfilmung des französischen Stücks schafft es aber, sämtliche hohen Erwartungen zu erfüllen. „Gott des Gemetzels“ ist ein bis in kleinstes Detail durchdachter Film, der zu den Highlights des Jahres gehört.

Die Ausgangslage ist nicht allzu ungewöhnlich: Zwei Jungen streiten und einer der beiden schlägt mit einem Stock zu. Die Eltern des Opfers Penelope (Jodie Foster) und Michael (John C. Reilly) laden die Eltern des anderen Kindes Nancy (Kate Winslet) und Alan  (Christoph Waltz) ein um die Sache zu besprechen. Schon nach wenigen Minuten scheint zwischen den höflichen Paaren alles geklärt, doch immer wieder führen Bedeutungslosigkeiten dazu, dass Nancy und Alan noch bleiben. Mit der Zeit tauchen immer mehr Bösartigkeiten und Vorwürfe auf und aus der freundlichen Atmosphäre entwickeln sich handfeste Streitereien zwischen allen Beteiligten.

Was die Geschichte ins Rollen bringt (und wieder abschließt), nämlich die Kinder, wird nur nebenbei und auf zurückhaltende Weise gezeigt. Auch bei den Erwachsenen tritt das Ereignis nach und nach in den Hintergrund. Der Film driftet (auf positive Weise) immer mehr von der Ausgangslage ab. Wo zu Beginn noch mit Freundlichkeiten und Kaffee über die Kinder diskutiert wird, geht es später um die Beziehungen der beiden Paare, deren Lebensinhalt und moralischen Wertevorstellungen. Dies entfaltet sich erst mit der Zeit über nichtige Kleinigkeiten. Dadurch tun sich jedoch Abgründe in den Charakteren auf, die erkennen lassen, was den Personen wirklich wichtig ist und was nur als Fassade aufgebaut wird. Die unheilvolle Entwicklung ist schon von Anfang an spürbar, was jedoch den Film nicht schwächt: Ganz im Gegenteil: Der Film entwickelt bei der ansteigenden negativen Stimmung einen unglaublichen Sog, der erst in den letzte Minuten wieder etwas nachlässt. Die Stärke in „Gott des Gemetzels“ liegt dabei in den Details. Jedes Wort, jede Spitzfindigkeit, sogar jedes Kleidungsstück scheint einen Sinn zu haben. Nicht nur die Charaktere achten auf die Worte der Gegenüber um diese zu sezieren und zu kritisieren, auch die Macher legen Wert auf nebenbei eingestreute Äußerungen oder Gesten. Das ist bitterböse, hintersinnig und über weite Strecken sogar extrem lustig. „Carnage“ (so der Originaltitel), ist, gerade wenn er bösartig wird, witziger als die meisten Komödien.  Es ist schwer zu unterscheiden, wem mehr Lob für diese Leistung gebührt. Der Theaterautorin Yasmine Reza, die immerhin das Stück (und das Filmdrehbuch) geschrieben hat oder dem Regisseur und Autor Polanski, der diese Nuancen auf die Leinwand bringt. Man hat das Gefühl, das nichts dem Zufall überlassen ist: Weder die Dialoge, noch die Ausstattung des Films oder die Positionierung der vier Hauptpersonen. Mit den Darstellern hat der Film ein perfektes Cast, das die verschiedenen Stimmungen zwischen den Personen perfekt wiedergeben. Eine einzelne Person kam man dabei nicht hervorheben. John C. Reilly ist zwar am passivsten, hat aber den Charakter der für den Zuschauer am schwersten einzuschätzen ist, Christoph Waltz bekommt mit seiner gewohnt überheblichen, fast gehässigen Art die meisten Lacher, und Foster und Winslet zeigen ihr Können in den emotionaleren und ernsteren Szenen.

Wenn es überhaupt einen Punkt gibt, den man kritisieren könnte, dann dass der Film das Tempo und die Bissigkeit nicht ganz bis zum Schluss (der nach 80 Minuten recht plötzlich kommt) durchhält, doch diese Kleinigkeit kann den Filmgenuss nicht trüben:  „Gott des Gemetzels“ ist ein hintersinniger und extrem kurzweiliger Film geworden, der durch ein grandioses Drehbuch, hervorragender Regie und tolle Darsteller besticht. Der Film ist ein dialoglastiges aber nie langweiliges Kammerspiel, dass durch seine Dialoge mehr Action und Spannung entstehen lässt als ein aufwändiger Thriller.

Wertung 9/10


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